Fahrradstraßen im kritischen Blick

politik

Ergebnisse einer Online-Umfrage des Radentscheids Offenbach

„Endlich das Gefühl, nicht mehr der kleinste gemeinsame Nenner im Straßenverkehr zu sein“ und „dass die Autofahrer zu wenig Rücksicht auf Fahrradfahrende und Fußgänger nehmen“ sind zwei Kommentare aus der ersten Umfrage zu den Offenbacher Fahrradstraßen. Eine Arbeitsgruppe innerhalb des Radentscheids Offenbach hat die Corona-Zeit genutzt, um den Fokus auf die inzwischen errichteten Fahrradstraßen zu richten. Das sind die Au-, Bleich- und Geleits-, die Hospital- und Mittelsee-, die Senefelder-, die Taunus-, Von-Behring-Straße und der Lämmerspieler Weg. Seit zwei Jahren gibt es das Förderprojekt Bike Offenbach, eine städtische Abteilung, die mit der finanziellen Unterstützung des Bundesumweltministeriums den Anteil des Radverkehrs deutlich steigern wollte.

Einen Monat lang, von Mitte Januar bis Mitte Februar 2021, hatte die Arbeitsgruppe des Radentscheids Offenbach, die aus Vincent Kolipost, Dr. Harry Neß und Jochen Teichmann besteht, eine Online-Umfrage auf seine Internetseite gestellt. Mit Fragen zur Sicherheit und Akzeptanz der bestehenden Fahrradstraßen im Allgemeinen und im Besonderen wurde versucht ein Meinungsbild abzufragen. Neben grundsätzlichen Fragen konnten auch Einschätzungen zu den einzelnen Fahrradstraßen von den 127 Personen abgegeben werden, die sich Zeit für den Fragebogen auf der Radentscheid-Internetseite genommen hatten. 75 Prozent von ihnen gaben an, dass sie die Fahrradstraßen täglich oder mehrmals wöchentlich nutzen bzw. 25 Prozent zumindest gelegentlich.

Fast gleich viel Frauen wie Männer haben prozentual an der Befragung teilgenommen. Nach der Altersstruktur überwogen mit über 40 Prozent die 31-45-Jährigen und die Wohnorte der Teilnehmenden verteilten sich über das ganze Stadtgebiet. Fast alle haben die Fahrradnutzung für die Freizeit (124) angeklickt, genutzt wird das Fahrrad auch zum Einkaufen (99), Beruf/Ausbildung (83) und Schule/Hochschule (16). Genannt wurden auch solche Bereiche wie Sport, Kinderbeförderung und Kurierdienste. Täglich bis mehrfach die Woche nutzen 75 Prozent der Frauen und Männer die Fahrradstraßen gleichermaßen. Die Einschätzungen der Offenbacher Bürgerinnen und Bürger in den weiteren Ausführungen relativiert Dr. Neß dahingehend, dass „im soziologisch strengen Sinne dies keine repräsentative Umfrage“ ist, dennoch liefert die Auswertung „ein gutes Stimmungsbild und sendet ein Signal“ an die politisch Verantwortlichen zur „Optimierung der Fahrradstraßen“. Bei der Frage nach der allgemeinen Zufriedenheit mit den Fahrradstraßen gaben 50 Prozent der Frauen und 32 Prozent der Männer an, dass sie mit diesen „nicht zufrieden“ oder „eher nicht zufrieden“ sind. Dem gegenüber stehen 21 Prozent der Frauen und 23 Prozent der Männer, die angeben, sie seien mit ihnen „sehr zufrieden“ bzw. „weitgehend zufrieden“. Hauptkritikpunkte sind, dass die Autofahrenden zu schnell unterwegs sind, zu wenig Rücksicht auf Fahrradfahrende nehmen und diese an den Rand, in die „Dooring-Zone“ drängen. Die sogenannte „Türöffnungszone“ wird als Abstandshinweis zu den parkenden Autos mit schrägen blauen Strichen in den Fahrradstraßen markiert. Genau in dieser Zone soll nicht geradelt werden. Als Kritikpunkt wird außerdem der weiter intensive KFZ-Durchgangsverkehr trotz Anliegergebots beklagt.

Immerhin zeigen die Antworten insgesamt, dass nach Auffassung von Vincent Kolipost, in der Beurteilung der Befragten mit „den Fahrradstraßen positiv gesehen ein Anfang einer Verkehrswende“ gemacht wurde, jedoch wie die Einzelauswertungen zu den Fahrradstraßen zeigen, sie im weiteren Ausbau „noch viel Potential zu einer Verbesserung“ haben.

Die Teilnehmenden an der Befragung konnten bis zu drei Fahrradstraßen bewerten. Die meisten Angaben wurden zur Senefelderstraße gemacht, die schon 2018 als Teststrecke eingerichtet und inzwischen reichlich in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Danach folgen die Taunusstraße durchs Nordend, die Bleichstraße in der Innenstadt sowie die Von-Behring- Straße in Bürgel. Generell wird die „Sicherheit“ bei fast allen Straßen eher „weniger sicher“ bis „nicht sicher“ bewertet; mit Abstand das Schlusslicht bildet die Hospital- und Mittelseestraße in der Innenstadt. Die Senefelder-, Bleich- und Geleitsstraße sowie in Teilen auch die Taunusstraße werden in puncto „Akzeptanz“ und „Überholabstand“ mit mehr als 50 Prozent negativ bewertet; einzig die Von-Behring-Straße konnte hier positiv Punkte für sich in der Bewertung verbuchen. Neben geschlossenen Fragen gab es aber auch offene Textfelder in der Umfrage, in die Kommentare geschrieben werden konnten. Sie liefern einige Impressionen der konkreten Erfahrungen mit den bestehenden Fahrradstraßen in Offenbach:

Senefelderstraße Übergang Marienstraße/Bahnunterführung muss entschärft werden; gute wichtige Verbindung Richtung Rosenhöhe und Ringcenter; richtige Achse, Verbindung vom Ring zum Bahnhof

Taunusstraße Ampeln am Übergang Domstraße und Hafen muss schneller geschaltet werden, zu lange Wartezeiten; Entspanntes Fahrradfahren, aber an Kreuzungen muss man leider noch auf Autos achten, das ist schade; schöne Achse Hafen-City

Bleichstraße Gut, wenn sie nur von Anwohnern befahren würde; jetzt gibt es wenigstens den Ansatz einer Ost-Westverbindung in dieser Gegend.

Von-Behring-Straße Perfekte Achse Richtung Rumpenheim; immer noch zu viele Autos und darüber hinaus zu viele Autofahrer, welche sich nicht an die Regeln der Fahrradstraße halten; Querung Mainstraße mit mangelnder Sichtbarkeit und Sicherheit.

Aufgrund der Erkenntnisse aus der Umfrage fordert der Sprecher des Radentscheids, Jochen Teichmann, um die Bürgerinnen und Bürger für den Umstieg auf das Fahrrad zu motivieren, unter anderem mehr moderne Verkehrssteuerungselemente wie Modalfilter und Diagonalsperren. Diese filtern den Verkehr nach Verkehrsarten, geben z. B. dem Radverkehr Durchfahrt, während der KFZ-Verkehr abbiegen muss. Einbahnstraßenregelungen und die Verbreiterung der Fahrradstraßen durch die Herausnahme von Parkflächen sind wichtig für die Sicherheit der Radfahrenden. „Bisher hat, seiner Auffassung nach, die Stadt „in Richtung Verkehrswende noch viel Luft nach oben“. Und da stimmt er mit dem ADFC-Vorsitzenden Detlev Dieckhöfer überein, wonach „weitere bauliche Maßnahmen notwendig sind, um den Autoverkehr auszubremsen und die gewünschten Effekte der Sicherheit und Akzeptanz von fahrradfahrenden Bürgerinnen und Bürger durch andere Verkehrsteilnehmer zu erreichen“.

Pressemitteilung des Radentscheids Offenbach vom 02.03.2021

zur Umfrageauswertung

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