Radverkehr belebt das Geschäft und nicht umgekehrt
Aktuell erleben wir in Offenbach, dass der innerstädtische Einzelhandel durch den Onlinehandel, autogerechte Verbraucherparks auf der grünen Wiese und nicht zuletzt durch die Corona-Krise stark unter Druck geraten ist. Die Stadt autogerecht zu gestalten, kann nicht der richtige Weg sein, da sie nie so autogerecht sein kann, wie der Verbraucherpark auf der grünen Wiese. Mit Hinblick auf das heutige „Shoppen“, das „oft auch Freund*innen treffen, Kaffee trinken und Essen gehen oder sich einfach durch die Stadt treiben lassen“ impliziert, müssen der Einzelhandel und die Innenstadt an sich, also an ihrer Attraktivität arbeiten. Zu Impulskäufen kommt es bei Fußgänger*innen und Radfahrenden viel häufiger als bei Autofahrer*innen. Sie sind mit der richtigen Infrastruktur einfach näher dran. Studien zum Einkaufsverhalten in Innenstädten zeigen, dass nur knapp ein Drittel der Passant*innen gezielt einkauft. Die Mehrheit agiert stattdessen spontan und nutzt die Möglichkeiten, die sich ihr bieten. Je mehr Geschäfte passiert werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Impulskaufs. Auf Grund geringer Geschwindigkeiten und der unmittelbaren Sinneserfahrung gilt dies besonders für Fußgänger*innen und auch Radfahrenden, wenn ihnen einladende Infrastruktur bereitgestellt wird.
Radfahrförderung bedeutet gleichzeitig Strukturförderung. Der Radentscheid Offenbach widerspricht damit der Befürchtung des Handels, für den autofreie Innenstädte den Niedergang des Einzelhandels bedeuten. Im Gegenteil! Studien belegen: Der Innenstadthandel profitiert von treuen Kund*innen auf zwei Rädern. Radverkehr bzw. Fahrradfreundlichkeit ist vielschichtig. Und braucht politischen Willen. Studien aus verschiedenen europäischen Ländern zeigen, Radfahrende geben zwar pro Einkauf weniger Geld aus, kommen dafür aber gut doppelt so häufig und bringen daher pro Person mehr Umsatz.
Das Londoner Verkehrsunternehmen Transport of London (TfL) ließ das Kaufverhalten von Fußgänger*innen und Radfahrenden im Vergleich zu Autofahrer*innen analysieren und kam zum Schluss: Fahrradfahrer*innen sind die besseren Kund*innen. In der Studie der University College London's Bartlett School of Planning wurde erkenntlich: Radfahrende und Fußgänger*innen geben monatlich 40% mehr Geld in Nachbarschaftsläden aus als Autofahrer*innen. Durchgeführt wurde die Studie in jenen Londoner Vierteln, die in den letzten zehn Jahren von Straßenausbesserungen bei Fahrrad- und Fußwegen profitieren konnten, durch Maßnahmen wie durchgängige Radwege, großzügige Fußgängerzonen mit Sitzmöglichkeiten und Fahrradabstellanlagen. Die Ergebnisse der Studie von TfL sind keine besonders große Überraschung, sondern bestätigen bereits bekannte Effekte. Eines der wohl bekanntesten Projekte, wo der Einzelhandel von dem Umbau einer Autostraße in eine Begegnungszone für Fuß- und Radverkehr profitiert hat, ist die Mariahilfer Straße in Wien. Auch Studien aus Madrid und Toronto zeigen, dass in autofreien innerstädtischen Gebieten die Verkaufszahlen und Umsätze um bis zu 9,5 Prozent steigen.
Im Punkt vier des Forderungskatalogs fordert der Radentscheid ein Superblockkonzept für Offenbach, um die Viertel lebendiger und lebenswerter zu gestalten. Und auch hier zeigt sich am Beispiel Barcelona, dass das Modell der Superblocks den Einzelhandel im Nahbereich stärkt und dass kein Durchgangsverkehr erforderlich ist, um gute Geschäfte zu machen. Die Übertragung des Barcelona Modells auf Offenbach ist problemlos möglich, wie eine aktuelle Studie von Lars und Kai Zimmermann von Citiesforfuture klar belegen.
Resümierend bleibt: Mehr Radverkehr ist nicht nur gut für die Gesundheit und erhöht die Lebensqualität in Offenbach, sondern stärkt auch den Einzelhandel. Das Fahrrad ist zum Symbol für eine nachhaltige Lebensweise geworden, und in Zeiten des Klimawandels wird das auch von der Kundschaft immer mehr gefordert.
Damit das Einkaufen in Offenbach besser funktioniert und der lokale Einzelhandel gefördert wird, brauchen wir Radabstellplätze überall da, wo die Geschäfte sind. Und damit auch größere Einkäufe nicht zum Problem werden, brauchen wir das von uns geforderte Lastenradkonzept. Mehr zeitgemäße Lastenräder zum Ausleihen, mehr Abstellplätze in der Innenstadt in der entsprechenden Größe, die für Lastenräder und Fahrradanhänger geeignet sind. Und vor allem ein durchgängiges, leistungsfähiges Radwegenetz mit moderner Radinfrastruktur.