Eine verpasste Chance für die Verkehrswende

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Rückbau des Radstreifens auf der Waldstraße

Eine verpasste Chance für die Verkehrswende

Mit großem Bedauern haben die Aktiven des Radentscheids die Entscheidung des Offenbacher Magistrats zur Kenntnis genommen, nach über einem Jahr Probebetrieb des Radstreifens auf der Waldstraße, diesen nun vollständig zurückzubauen. Nach genauer Sichtung der von der Hochschule Darmstadt verfassten Evaluation stellen wir fest, dass die Empfehlung, „den erfolgreichen Probebetrieb zu verstetigen, in den Regelbetrieb zu überführen und kontinuierlich zu optimieren“ (Zitat aus der Evaluationsempfehlung), bei den Koalitionären kein Gehör fand. In der parlamentarischen Debatte wurden die Unterschiede bei den Magistrats-Parteien, SPD, Grüne und FDP deutlich, leider konnten sich die Koalitionäre nicht auf eine Verstetigung und Optimierung verständigen.

Hier stellt sich die Frage, warum erteilt der Magistrat erst einen Auftrag für eine wissenschaftliche Begleitung des Probebetriebs an Prof. Dr.-Ing. Jürgen Follmann, einen der renommiertesten hessischen Verkehrswissenschaftler, um dann seiner Empfehlung nicht zu folgen. Weder in der Debatte der Stadtverordnetenversammlung noch in der Evaluation selbst können wir überzeugende, sachorientierte Gründe finden, die einen solchen Rückbau rechtfertigen können.

Die insbesondere von der CDU und den Freien Wählern Offenbach vor Beginn des Probebetriebs ins Feld geführte Argumentation, dass der Autoverkehr wegen des Probebetriebs zum Erliegen kommen würde, ist nachweislich ausgeblieben. Nicht einmal größere Staus konnten festgestellt werden. Das war auch erwartbar aufgrund der relativ geringen Frequenz des MIV in diesem Streckenabschnitt. Als Ergebnis der Evaluation steht nun eindeutig fest, dass ein Vierspurbetrieb in diesem Teil der Waldstraße überdimensioniert ist, und zwei Spuren für den Autoverkehr völlig ausreichen, um den Bedarf des Autoverkehrs zu decken. Nicht erwartbar war, dass es im Rahmen des Probebetriebs zu einer schnellen nominellen Zunahme des Radverkehrs auf der Waldstraße kommen würde. Der Fokus des Verkehrsversuchs lag auf der Untersuchung der Akzeptanz durch den KFZ-Verkehr, Verkehrsfluss, mögliche Ausweichverkehre, Auswirkungen auf den ÖPNV und die Entwicklung der Verkehrssicherheit.

Entsprechend der Empfehlung der Hochschule Darmstadt braucht der Radstreifen eine kontinuierliche Optimierung, um mehr Akzeptanz unter den Radfahrenden und höhere Nutzungszahlen zu generieren. Hinweise zur Optimierung des Radstreifens kann man im Darmstädter Gutachten klar erkennen, z.B. die fehlende Anbindung ans bestehende Radnetz, die fehlende Trassenwirkung der isolierten Teilstrecke der Waldstraße und die Verbesserung der Kreuzungsbereiche.

Verkehrsveränderungen brauchen Zeit, das Nutzerverhalten verändert sich nicht in einem Jahr, dazu braucht es gute, vor allem sichere Angebote, um Menschen zu überzeugen ihr Mobilitätsverhalten zu verändern. Für die Menschen, die den Radstreifen an der Waldstraße nutzen, stellt dieser ein sicheres Angebot dar, durch die Umorientierung der Radfahrenden vom Gehweg auf den Radstreifen haben auch die Fußgänger profitiert. Und nicht zuletzt haben auch die Anwohner:innen klare Vorteile durch die geringere Lärmbelastung im Zweispurbetrieb ohne die geräuschintensiven Überholvorgänge.

Nun bleibt zu befürchten, dass durch den Rückbau genau dieser bereits gewonnene Bonus verspielt wird. Schon die stark polarisiert geführten Diskussionen in den sozialen Medien und in den Kommentaren hat der Akzeptanz des Radverkehrs in Offenbach und dem Fair-Play-Gedanken schwer geschadet. Der populistische Antrag der Freien Wähler in der Offenbacher Stadtverordnetenversammlung, der von der CDU unterstützt wurde, der Radverkehrsentwicklung gemäß der Vereinbarung des Radentscheids für zwei Jahre alle haushälterischen Mittel zu streichen, zeigt klar auf, aus welcher Ecke diese Kampagne gegen die Radfahrenden geführt wurde. Gut, dass hier die Koalition klare Ablehnung gezeigt hat. Wünschenswert ist es nun die öffentliche Debatte auf eine sachlichere Ebene zu stellen.

Jochen Teichmann, Sprecher des Radentscheids appelliert: „Die Umsetzung der zukunftsweisenden Vereinbarung für eine fahrradfreundliche Stadt Offenbach sollte nun weiter vorangebracht werden und für die Waldstraße haben die Koalitionäre die Aufgabe eine für alle Verkehrsteilnehmenden und Anwohner:innen gute Lösung gemäß der in der Evaluation gewonnenen Erkenntnisse zu finden. Mit der Einweihung des neuen Radstreifens auf der Frankfurter Straße steht am 19. September bereits ein weiterer sehr wichtiger Schritt für die Verbesserung des Offenbacher Radwegenetzes an.“

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